Ü4-2: Mengensysteme mit Prädikaten

Zur Mengensprache werden einige Prädikate p1, …, pn hinzugenommen, welche den Zweck haben, mehr Praktisches auszudrücken — zum Beispiel: eine empirische Theorie zu beschreiben.

Ein Prädikat lässt sich am besten als eine Art von Name für eine bestimmte Menge oder für eine bestimmte Art von Menge verstehen, für die sich einige Personen genauer interessieren.

Bei formallogischer Darstellung der Mengenlehre wird zunächst eine Mengensprache spezifiziert (siehe Ü4-1). Dazu werden einige wenige Grundbegriffe, wie: =, ∈, { }, 〈 〉, viele Symbole für Variable, eventuell einige («endlich viele») Prädikate, einige Regeln verwendet, mit denen aus den genannten Sachen Sätze, Formeln und Terme gebildet werden, und mit denen einige grundlegende Hypothesen (Axiome) für das Gesamtsystem aller Mengen formuliert werden.

Wenn auch mehr praktische Untersuchungsbereiche bereit gestellt werden sollen, werden Prädikate eingeführt, welche empirische Dinge, Sachverhalte, Ereignisse beschreiben sollen. Um dies auszudrücken, müssen die Prädikate und die Variablen interpretiert werden. In der Mengenlehre gibt es nur eine Art von Entität, die für eine Interpretation von Symbolen in Frage kommt, nämlich Mengen, oder präziser: ein Bereich von Mengen.

Bei Interpretation eines mengentheoretischen Satzes werden die Variablen bei einer Auswertung durch (Namen von) Mengen ersetzt. In ähnlicher Weise wird auch bei Prädikaten verfahren. Wir unterscheiden gleich am Anfang drei Arten von Prädikaten, nämlich spezielle 1-stellige, «echte» 1-stellige und n-stellige ( n > 1 ) Prädikate.

Spezielle 1-stellige Prädikate werden Konstanten genannt. Ein spezielles 1-stelliges Prädikat pi hat einen Namen und es wird durch eine einelementige Menge interpretiert, d.h. eine Menge, die genau ein Element enthält. Oft ist in der Interpretation das einzige Element eine reelle Zahl α. Oft wird das Prädikat mit einem hervorgehobenen Symbol als Name verwendet. Oft werden solche 1-stelligen Prädikate nur bei funktionaler Schreibweise verwendet.
Zum Beispiel wird die Plancksche Konstante mit h bezeichnet. Die Interpretation von pi, also der Planckschen Konstante, hat dann die Form { h }. Dabei werden in der Praxis die Mengenklammern weggelassen. In einem Beweis sollte mengentheoretisch z.B. eine Gleichung so geschrieben werden: { h } = x. In praktischen Rechnungen werden aber Mengen kaum explizit verwendet; so dass z.B. auch h = x geschrieben wird.

a) Finden Sie in Ihrem Wissensbereich zwei Konstanten, die zu einer Theorie gehören. Versuchen Sie bei jeder Konstante die Funktion der Konstante zu beschreiben. Mit welchen anderen Begriffen hängt die jeweilige Konstante zusammen?

Ein «echtes» 1-stelliges Prädikat pi wird durch eine Menge interpretiert, die mehr als ein Element enthält. Dieser Zusatz «mehr als ein» wird in praktischen Anwendungen meistens nicht verwendet. Dieser Zusatz wird nur bei mengentheoretischen, meta-theoretischen Überlegungen ins Spiel gebracht. Wenn die interpretierte Menge einen Namen, z.B. Präd, hat, können alle Formen verwendet werden: Präd = x, Präd ∈ x und x ∈ Präd.

Interessant wird es, wenn in einem System mehrere 1-stellige Prädikate verwendet werden, welche dann natürlich «irgendwie» auch miteinander zusammenhängen.

Beispiele:
In einer mikroökonomischen Theorie spielen Waren eine zentrale Rolle. In einem Modell dieser Theorie wird immer eine Menge von Waren verwendet. Formal wird ein 1-stelliges Prädikat, z.B. Waren eingeführt, welches in jedem Modell durch eine Menge von Waren interpretiert wird. Eine bestimmte Ware w ist dann ein Element von Waren: w ∈ Waren.

In dieser Theorie können auch spezielle Eigenschaften von Waren eine Rolle spielen. Zum Beispiel gibt es Waren, die flüssig sind, oder andere die essbar sind. Für diese Eigenschaften werden 1-stellige Prädikate eingeführt, z.B. flüssig und essbar. Formal kann eine solche Eigenschaft durch eine Teilmenge der Warenmenge Waren dargestellt werden: flüssig ⊂ Waren und essbar ⊂ Waren.

In einer sozialpsychologischen Theorie von Heider (Heider, 1946) wird eine Menge von Personen und eine Menge von Objekten verwendet. Beide Mengen können durch 1-stellige Prädikate beschrieben werden. Nennen wir das erste Prädikat Personen und das zweite Prädikat Objekte. In einem Modell wird Personen durch eine Menge von Personen interpretiert und Objekte durch eine Menge von Objekten. Ein bestimmtes Element p aus Personen ist dann eine bestimmte Person: p ∈ Personen; ein Element ob aus Objekte ein Objekt: ob ∈ Objekte.

b) Formulieren Sie zwei 1-stellige Prädikate, welche in ihrem Wissensbestand zu finden sind. Beschreiben Sie jede der Prädikate inhaltlich in normaler Sprache. Versuchen Sie, eine Menge von Objekten oder anderen Entitäten zu finden, deren Elemente auf das jeweilige Prädikat zutrifft.

Bei einem n-stelligen ( n > 1 ) Prädikat kommt hinzu, dass jedes Element aus einer durch pi interpretierten Menge des Namens Präd eine Liste der Länge n (ein n-Tupel) sein muss. Wenn die Menge des Namens Präd verwendet werden soll, müssen alle Elemente aus der Menge des Namens Präd die Form 〈 x1, …, xn 〉 haben. 〈 x1, …, xn 〉 ist dabei ein Element von Präd:

x1, …, xn 〉 ∈ Präd.

Beispiele:
Im oben gerade beschriebenen Beispiel einer sozialpsychologischen Theorie werden zwei 1-stellige Prädikate verwendet: Personen und Objekte. In dieser Theorie wird ein 2-stelliges Prädikat eingesetz, welches wir mag nennen: eine Person p aus Personen mag das Objekte ob aus Objekte: kurz: mag ( p, ob ) oder auch 〈 p, ob 〉 ∈ mag.
In der klassischen Mechanik ist der Begriff der Masse wichtig. Formal wird ein 2-stelliges Prädikat, z.B. Masse, verwendet und in einem Modell wird Masse durch eine Funktion m interpretiert. Die Menge P der Argumente im Modell besteht aus den Partikeln, denen eine Masse zugeschrieben wird und als Wertemenge wird die Menge \mathbb{N} der reellen Zahlen genommen. Die Funktion m hat also die Form m : P → \mathbb{N}.

Wie in Ü2-4 beschrieben, ist die Funktion m erstens eine 2-stellige Relation. Diese Relation bildet eine Teilmenge von P × \mathbb{N}: m ⊂ P × \mathbb{N}. Zweitens wird jedem Partikel genau eine positive, reelle Zahl α zugeordnet, welche als die Masse des Partikels p bezeichnet wird: m ( p ) = α.

c) Versuchen Sie zwei Prädikate in Ihrem Wissensbereich zu finden, welche 2-stellig sind oder noch mehr Stellen haben. Hat eine Ihrer Prädikate die Funktionseigenschaft? Werden in einem Ihrer Prädikate Zahlen verwendet?